Thip, die Anwältin

Ich sitze im Zug von Bangkok nach Surat Thani. Ich beobachte schon länger eine Frau auf der anderen Seite des Abteiles mir gegenüber, die verträumt und verliebt aus dem Fenster gelehnt mit einem Mann redet. Der Zug fährt los, sie winkt ihm noch einmal und lässt sich dann in die alte Ledergarnitur fallen.

Ein kurzer Schwänker mit dem Kopf in meine Richtung und unsere Blicke treffen uns. Sie lächelt mich an, ich lächle zurück. Ich will mich schon wieder umdrehen und meine FM4-Soundselection anhören, als mir ein Schwall an thailändischen Worten an den Kopf knallt. Ich dreh mich verwirrt zu ihr, sie lächelt immer noch, fängt aber gleich darauf lustvoll zu lachen an. „Where you going?“, fragt sie mich mit dem typischen thailändischen Akzent. „Surat Thani, and you?“ – „Also Surat Thani, I visit my Mother!“ Ein Gespräch zweier Frauen im Nachtzug beginnt….

 

Thip arbeitet als Anwältin im thailändischen Parlament. Sie hat 4 Jahre in Bangkok studiert, es war ein hartes Studium, Mädchen waren noch selten. Nicht so wie heute. Mittlerweile sind sicher die Hälfte der Jus-StudentenInnen Frauen an der Uni in Bangkok. Das freut sie. Ihre 19jährige Tochter hat es nicht so mit Paragraphen auswändig lernen, Mathematik liegt ihr mehr. Sie würde gerne Technik in Deutschland studieren, da wo auch ihr Onkel, Thip’s Bruder, als Techniker gearbeitet hat. Dieser ist mittlerweile wieder in Bangkok, er arbeitet im VW-Konzern. Thip ist sichtlich stolz auf ihre Familie. Besonders auf ihre Tochter. Sie findet es gut, wenn Frauen Technik studieren oder einen „typischen Männerberuf“ ausüben. Ich finde das bekanntlicherweise auch gut. Wir sind uns da einer Meinung und lachen und freuen uns, dass wir da jemanden gefunden haben, dem das auch am Herzen liegt. Sie erzählt mir, dass sie mit dem Premierminister aus Tailand für 10 Tage einige europäische Hauptstädte besucht hat. Darunter auch Wien und Berlin. Sie kommt ins Schwärmen. Sie liebt unsere Kultur und vor allem die Sprache. Sie besucht in Bangkok mittlerweile einen Deutschkurs bei Angelika. Angelika hat einen Thai geheiretet und ist deswegen aus Deutschland hergezogen. Grinsend und sichtlich stolz zählt sie mir die Zahlen von 1-10 auf Deutsch auf. „Ains, Swai, Drai“, sie lacht und klopft sich mit der flachen Hand auf den Kopf, „VIER, funf, seas, sieben, aachd, neun, sehn!“ Ich klatsche Applaus und freue mich über diese Leistung! Sie beschreibt mir noch freudig, wie gut ihr das Essen bei uns geschmeckt hat. „Did you try Schnitzel?“, frage ich sie. Sie nickt aufgeregt. Sie fragt mich, ob ich das thailändische Essen mag, „more then Schnitzel“, antworte ich und wir beide lachen wieder. Sie erzählt mir, dass die thailändischen Farmer sehr viel Arbeit mit dem Reisanbau haben und trotzdem so arm sind. Die Jungen wollen nicht mehr am Land bleiben und ziehen lieber in die Stadt, viele sind da aber arbeitslos und sind auch nicht glücklicher. Sie lächelt mich liebevoll an, „I could be your mother!“ und lacht wieder. Ich liebe das glückliche, ehrliche Lachen der Thais, besonders ihres ist ansteckend. „This would be so nice!“, antworte ich ehrlich. „Why you travel with the train, it’s hot and loud and not so good as the tourist-busses!?“ – „I love to meet people! I met you!“, ich lächle sie diesmal liebevoll an. Ich erzähle ihr von meinen Reiseplänen, sie findet sie toll und bestärkt mich. Sie schreibt mir ihre Nummer und ihre Mail-Adresse auf. „Contact me, when you are in Bangkok, we drink Coffee together!“ Ich lache und freu mich so, wissend, dass es noch etwas dauern kann, bis ich wieder zurück bin.

 

In der Früh zeigt sie mir den Weg zum Busterminal. Sie nimmt mich sachte an der Schulter und hält mit ihrer anderen Hand die meine fest. Erst jetzt merke ich, dass sie einen Kopf kleiner ist als ich, aber ihr Lächeln strahlt so viel Größe aus, dass ich das bis dato gar nicht merkte. Sie wünscht mir alles Gute. Ich wünsche ihr einen schönen Aufenthalt bei ihrer Mutter und hoffe auf ein Wiedersehen.

 

2 Comments

    • Magdalena

      Liebe Michi, ja, Begegnungen mit starken Frauen sind immer etwas besonderes! Drum freu ich mich auch so, wenn wir uns wieder sehen! Glg Magdalena

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