Montag, 11 Uhr. Zirka 50 Backpacker tummeln sich rund um den Greyhound-Bus in Brisbane am Busterminal. Der Busfahrer schreit motiviert quer durch die Menge: „Who is Germaaaan?“ Mehr als die Hälfte der Leute fängt zu grölen an. Eine einzelne Stimme ertönt „I’m Austrian!!“ Ich muss lachen und stürme hin. „He, Österreicher!“ Ich lache ihn an. „Jo Hallo!“, er lacht zurück. Ich frag ihn, wo er denn herkommt. „Aus Niederösterreich!“ – „Wo genau?“ – „Bezirk Melk!“ Ich fang zu lachen an: „Na, net wirklich!? Woher genau?“ – „Ruprechtshofen! Und du?“ Ich kann mir ein lachen nicht mehr verkneifen: „Ich bin aus Mank!“ So einfach können so weit weg von zu Hause Freundschaften entstehen.
Byron Bay ist keine Stadt mit vielen Museen, sehenswerten Ausstellungen oder gar Sehenswürdigkeiten.
Byron Bay ist eine Stadt für die Seele.
Das erkennen Karl und ich relativ früh und schwimmen schon am Abend nach der Busfahrt im Strom des „Flows“ der Stadt. Nach dem Abendessen vergessen wir jegliches Zeitgefühl in einer Bar bei einer Runde Bier und Jenga. Nein, Jenga ist kein alkoholischer Shot oder sonstiges, es ist ein Spiel, bei dem man durch herausziehen einzelner Spielsteine den Turm durchlöchert und mit auflegen dieser Steine wachsen lässt, bis er in sich zusammen fällt. Ich muss an den lustigen Abend mit Pauline und Christine auf Lombok denken, an dem wir stundenlang einen Turmrekord nach dem anderen aufgestellt hatte. Ach, wie die Zeit vergeht…
Der nächste Tag ist Valentinstag. Diese Tatsache hätte gar nicht an mir vorüber gehen können, da schon Wochen zuvor überall in Melbourne und auch in Brisbane riesige Herzen in den Schaufenstern gehangen sind und Blumenverkäufer auf Hochtouren ihr Sortiment vergrößert haben.
14. Februar also. Ich zelebriere diesen Tag im Namen der Selbstliebe und schenke mir in einem der schicken Hippie-Läden der Stadt einen gemütlichen Einteiler, den ich mir schon einige Wochen wünsche, und ein bequemes, luftiges Shirt. Happy Valentine to me 🙂
An diesem Nachmittag flaniere ich wie frisch verliebt durch diese entzückende Stadt und den Strand entlang. Ich genieße die Leichtigkeit und die Sonnenstrahlen und kann mich an der Schönheit der Umgebung gar nicht satt sehen.
Nicht einmal das Aufziehen grauer Wolken und ein kleiner Regenschauer kann mir heute den Optimismus und die Lebensfreude rauben……
An diesem Abend findet in meinem Hostel eine Talentshow statt. Viele der Bewohner zeigen was sie können. Und was die alle können! Ich staune nur vor mich hin, wie sie rappen, beatboxen, Gitarre spielen, singen und Gedichte vorlesen. Schlussendlich gewinnen zwei Burschen, die selbstgeschriebene Lieder auf der Gitarre und auf dem Didgeridoo zum Besten geben. Alle Zuseher tanzen und springen vor der Bühne zu den modernen Klängen der Musiker und deren Instrumente.
Am folgenden Tag legen Karl und ich einen Strandtag ein und lassen uns die Sonne auf den Bauch scheinen. Der windige Seegang hat es nicht nur den Surfern und den spielenden Hunden am Strand angetan. Auch wir lassen uns den Spaß nicht entgehen und springen durch und über die Wellen. Teilweise reißen sie uns mit und begraben uns unter sich, aber ein Schluck Meerwasser hat noch keinem geschadet.
Beim Zurückgehen in die Stadt bekommen wir einen Flayer in die Hand gedrückt: Backpacker Welcoming Party – Free Entry, free Drinks. Hört sich an, als ob wir uns das nicht entgehen lassen dürften. Wir haben aber noch 3 Stunden zeit, holen uns deshalb noch etwas zu essen und setzen uns in den Park.
Hippies überall. Aber nicht die modernen Hipster-Mädls, die Blumen in den Haaren haben, weil das gerade modern ist. Nein, richtige! Sie sitzen im Kreis in der Wiese und flechten sich gegenseitig Bänder in die Haare, spielen Gitarre und singen dazu, es riecht nach Gras. Sie sehen glücklich aus und ich freue mich, dass es diese Blumenkinder immer noch gibt.
Einer von ihnen setzt sich zu uns an den Tisch und raucht sich einen Joint an. Höflich wie er ist, bietet er uns ihn an. Karl und ich verneinen dankend. Er stellt sich vor und erzählt uns, dass er aus Dänemark kommt und dort im Sommer Fahrräder an Touristen vermietet, im Winter reist er herum. Er liebt seinen Job und die Möglichkeiten, die er bietet.
Ein kleiner schwarzer Hund läuft zu mir. Er legt sein mitgebrachtes Stöckchen vor mich hin und sieht mich erwartungsvoll an. Als Hundeliebhaber versteh ich diese Geste natürlich sofort und schieße das Stöckchen quer durch den Park. Ich freu mich insgeheim, dass ich es noch nicht verlernt habe. Nun gesellt sich auch der Hundebesitzer zu uns. Auch er stellt sich vor und erklärt, dass „Little Dog“ (so der Name der Hundedame) und er aus der Gegend kommen. Er war früher mit seinen beiden Brüdern im Zirkus aufgetreten. Er erzählt uns einige Geschichten, während er mit seinen drei Hüten jongliert.
Es ist Zeit für die Backpackerparty. Der ehemalige Zirkusartist will uns begleiten. Dafür müssen wir Little Dog schweren Herzens nach Hause bringen. Es ist wirklich erfrischend einen quirligen Hund um mich zu haben. Sheila fehlt mir wirklich sehr…
Wie sich herausstellt ist das Zuhause der zwei ein alter Kombi. Little Dog scheint aber daran gewöhnt zu sein, alleine im Auto zu warten. Sie bekommt frisches Wasser in eine Schüssel und wird zurückgelassen. Wir Drei spazieren zum Meetpoint, bekommen einen Stempel auf den Handrücken gedrückt und schon geht’s los mit der Party.
Wir holen uns unser Gratis-Bier von der Theke und gesellen uns zu drei Mädels aus Melbourne. Wir tanzen ausgelassen und ich genieße es, das erste Mal seit Ende September fortzugehen.
Bald merke ich aber, dass ich nicht ganz in diese Disco-Party-Welt passe. Mädels in Hotpants tanzen anzüglich die Tischecke an, Typen gaffen in Ausschnitte. Es ist stickig und heiß. Wenigstens ist es hier verboten in Lokalen zu rauchen.
Ich verspüre nur mehr den Drang nach kühler frischer Luft und muss raus. Die zwei Männer sind anscheinend auch meiner Meinung und begleiten mich. Wir einigen uns auf gemütliches Zusammensitzen am Strand und machen uns auf den Weg, um Little Dog zu holen.
Langsam wird der Abend aber doch noch schräg. Während ich mit Little Dog mit einem Zapfen spiele, versucht ihr Besitzer mich dazu zu überreden, mit ihm morgen doch zu einem Wasserfall zu fahren, um dort mit ihnen baden zu gehen. Oder nein, wie wäre es denn, wenn wir gleich dort hin fahren, dann im Auto schlafen, um gleich morgen früh baden gehen zu können. Er lächelt mich dazu verführerisch an und seine drei Frontzähne blitzen hervor. Danke für das Angebot, ich weiß nicht so recht. Meine sarkastische Geschlagenheit verlässt mich leider immer etwas in den wichtigen Momenten und ich weiß nicht so recht, wie ich mich aus der Situation winden kann. Ich schaffe es zum Glück aber schlussendlich doch, meine ich sei zu müde und morgen fahr ich auch schon wieder weiter und überhaupt und sowieso. Was bilden sich manche Männer eigentlich ein?
Die Stadt und dessen Bewohner haben mich sowieso stark zum Nachdenken gebracht. Das freie Leben und Dasein wird hier an jeder Ecke gefeiert und ausgelebt. Und es klingt ja auch wirklich verlockend, immerhin darf ich das zur Zeit auch genießen. Jeden Tag machen was man will, Gitarre spielen, sich in Trance tanzen, Haare flechten und gemeinsam mit Gleichgesinnten die Zeit genießen oder was man auch immer möchte.
Aber wenn man immer nur die freie Liebe feiert und von Jongliertricks lebt, endet man dann zwangsweise alleine in einem alten Kombi voll mit Hundenahrung? Natürlich möchte ich gerne mein Leben genießen und davon leben können, was ich gerne mache, aber es hat mich doch ziemlich abgeschreckt, wenn ich ehrlich bin. Auch, dass manche Männer im Drogenrausch von sich so sehr überzeugt sind, dass sie beginnen über ihre eigenen, sinnlosen Geschichten zu staunen und zu lachen und Frauen, die einen verwirrten, weit entfernten Blick in sich tragen, haben es mir nicht besser erscheinen lassen.
Es ist wirklich wichtig, dass jeder selbst entscheiden darf, wie er leben möchte. Das ist doch die größte Erungenschaft unserer Zeit!
Ich freue mich auch schon wieder sehr, mein Wissen zu Hause erweitern zu können und in einem Job mein Geld zu verdienen, den ich wirklich gerne mache und in dem ich etwas zum Leben anderer Menschen beitragen kann.
Ich freue mich aber auch sehr, dass ich stumpfsinnig durch verschiedene Städte tanzen kann, bis es wieder so weit ist! Peace, Love and Freedom!