Sandakan ist vor allem für seinen Fluss “Sungai Kinabatangan” bekannt. Rundherum gibt es noch echten Urwald und somit eine ganz besondere Fauna und Flora. Damit wir uns das ganz in Ruhe ansehen können, haben June und ich ein Packet in einer “Nature Lodge” für 3 Tage und 2 Nächte gebucht.
Nach einer besonders Busfahrt, die mich wieder einmal zurück in die harte Realität der Globalisierung zurück katapultiert hat, sind wir am Fluss angekommen. Das Boot des Camps hat uns abgeholt und uns zur anderen Seite des Flusses gebracht. Gleich hinter der Bootsanlegestelle befindet sich eine teilweise offene Hütte mit Sitzgelegenheiten und der Rezeption. Wir werden herzlich und sehr freundlich empfangen.
Kurz nach der Führung durch die Lodge und dem Beziehen der Zimmer fängt auch schon die erste Bootsfahrt an. Die anderen Backpacker warnen uns gleich vor den heftigen Regengüssen abends vor. Also holt sich noch jeder seinen Regenponche, darüber wird die Schwimmweste angezogen und schon gehts ab auf’s Boot und rein ins Abenteuer.
Unser Guide stellt sich als Jon vor, er wird uns die kommenden Tage von den Tier- und Pflanzenarten erzählen und uns mit dem Boot Stromauf- und -abwärts chauffieren. Wir fahren los. Gleich nach nur etwa 500m schwänkt er nach rechts ab. Am Flussufer auf einer Sandbank sonnt sich ein kleines Krokodil. Wir dürfen es eine Weile beobachten bis es zum Wasser läuft und untertaucht.
Ein Stückchen weiter scharen sich gleich mehrere Boote am Ufer. Auf den ersten Blick sehe ich nur ein paar zerstörte Kokosnusspalmen vor einem kleinen Haus stehen, als ob ein kräftiger Wind getobt hätte. Aber nein, ein Affe ist daran Schuld! Auf der Spitze zwischen den Blätter sitzt gemütlich ein Orang Utan und kaut vor sich hin. Daneben stehen 4 weitere zerstörte Palmen, erstaunlich. Wir schauen ihm zu, wie er einen Palmwedel nach dem anderen gekonnt aus der Baumkrone reisst und den Blattansatz frisst. Wir warten bis er fertig ist, danach rutscht der den Stamm hinunter und ist dahin.
Wir fahren wieder eine Weile, bis wir einen “Harem” an Nasenaffen finden. Es gibt nämlich zwei Arten von Gruppierungen bei dieser Affenart: Ein Harem, dass aus einem Männchen und bis zu 32 Weibchen (Maximal gesichtete Anzahl) bestehen kann, oder eine reine Männchengruppe. Wir bekommen auch erklärt, dass die Männchen in den reinen Männergruppen 24h Stunden pro Tag, 7 Tage die Woche einen Ständer haben! Wahrscheinlich scharren sie deswegen so viele Weibchen um sich… Andere Männchen können einen Harem-Führer zu einem Duell herausfordern, auch mehrere Gegner sind möglich. Es kann nur einer gewinnen, dieser bekommt die Weibchen. Ein Weibchen kann sich jedoch freiwillig entscheiden, ob sie danach in der Gruppe bleiben will, oder ob sie einem der Verlierer treu bleiben möchte. Sie paart sich dann vor allen anderen mit ihrem gewählten Partner als Zeichen der Liebe. Fast schon romantisch!
Berühmt ist diese Affenart ja für ihre riesige Nase, die haben aber nur die männlichen Gruppenführer! Die Weibchen haben ganz süße Stupsnäschen. Manche Nasen der Männchen können so groß werden, dass sie beim Essen stören! Nasenaffen kommen in freier Wildbahn nur auf Borneo vor. Aufgrund der Rodung des Regenwaldes zugusten der Palmölplantagen sind diese Affen stark gefährdet und wurden bereits als unmittelbar bedrohte Art eingestuft. Erfolgreich gezüchtet konnten die Nasenaffen bisher nur im Zoo von Singapur werden. Dieser Zoo gilt allgemein als modernster und “natürlichster” der Welt.
Wir fahren weiter und entdecken wir noch einen Nashornvogel. Hier gibt es allerdings verschiedene Arten. Am bekanntesten und am häufigsten in Borneo verbreiteten ist der Rhinozerosvogel, der Nationalvogels der malyasischen Borneo-Hälfte. Mit seinem schwarzen Gefieder und dem gelben Schnabel, sowie seinem gelben “Horn” zwischen den Augen ist er unverkennbar.
Kurz darauf werden alle Bootsführer auf einmal nervös. Alle rauschen so schnell wie Möglich weiter. Eine Herde von Pigmy-Elefanten wurde entdeckt! Alle sind ganz aufgeregt, diese scheuen Elefanten, die die kleinsten ihrer Art sind, zeigen sich nur äußerst selten. Die Anzahl der Tiere wird auf unter 1000 Stück geschätzt, sie sind in der roten Liste für gefährdete Arten aufgeführt, sind also vom aussterben bedroht! Grund dafür ist wieder einmal mehr die Rodung des Regenwaldes für Palmölplantagen.
Wir kommen an ein Ufer, das dicht mit 3 Meter hohem Gras und Schilf verwachsen ist. Alle sprechen wild durcheinander, auf einmal trötet einer der Elefanten aus dem Dickicht. Es wird still. Aller beobachten gespannt das Feld. Hi und da sieht man einen Halm wackeln, einer sogar ganz in der Nähe des Ufers! Wir warten. Und warten. Hin und wieder Grasgewackle. Aber nichts. Es wird still. Das Bewegen der Grashalme hört auf. Wir wollen schon wieder fahren, da bemerkt einer der Bootsführer ein Rascheln im Grasfeld um die nächste Kurve. Alle bleiben noch einmal stehen und hoffen. Wieder ein Tröten. Warten. Warten. Hoffen. Warten. Die Stille und Aufregung wird von unserem Guide Jon unterbrochen “Sorry guys, we really need to go now. No elephants for today…”.
Auch er ist etwas enttäuscht. Ich verstehe leider noch nicht ganz, warum wir gerade jetzt schon zurückfahren müssen… 10 Minuten später weiß ich es, innerhalb kürzester Zeit ist es dunkel geworden und ein Gewitter ist im Anzug. Wir beeilen uns. Eine halbe Stunde später sind wir wieder im Camp, kurz bevor es zu schütten beginnt.
Am nächsten Tag, gleich um sechs Uhr früh geht es auf zur zweiten Fahrt. Wir bekommen erklärt, dass die Tiere nur am Morgen und am Abend am Flussufer sind, um zu schlafen. Unter Tags suchen sie Schatten im Inneren des Dschungels. Außerdem ist es für Affen am Ufer sicherer. Sie sind gute Schwimmer, sollte also eine Raubkatze oder dergleichen im Anmarsch sein, springen sie vom Baum in das Wasser und schwimmen zur anderen Seite.
Diesmal sehen wir eine reine Männchen-Gruppe an Nasenaffen, eine Gruppe Silber-Liguren, Langschwanz-Makaken und einen Graukopf-Fischadler.
Nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg quer durch den Dschungel zu einem See. Da es in letzter Zeit viel geregnet hat, sind wir mit Gummistiefel unterwegs, was auch wirklich notwendig war. Wir sind mehr durch Schlamm und Wasser gewatet als wir auf einem festen Weg gegangen sind. Nach ca. einer Stunde und 15 Minuten erreichen wir den See. Es ist traumhaft ruhig und still. Man hört nur die Vögel singen, ein paar Affen streiten und die Grillen zirpen. Ein dunkelblauer Eisvogel fliegt herum und sucht nach kleinen Fischen. An einem Baum entdecken wir ein Zwerg-Eichhörnchen. Es ist wirklich ausgesprochen süß, weil es so winzig ist! Wir genießen den Frieden, den dieser See umgibt, ehe wir wieder durch den Dreck zurückmarschieren müssen.
Am Abend bleibe ich zu Hause und fahre nicht auf die Bootstour mit. Meine Verkühlung ist schlimmer geworden und ich will mich nicht noch mehr Nässe und Wind aussetzen… Ich sage noch im Scherz zu June “Wehe es regnet nicht… oder noch schlimmer – ihr seht die Elefanten und ich wär nicht dabei!!!” Als June zurück kommt, sieht sie mich mit einem bemitleidenden Blick an. Ich schreie entsetzt auf, das war ja klar… Sie zeigt mir wunderschöne Fotos von 2 Elefantenkühen mit einem Jungen. Aber ich freue mich wirklich. Besonders, dass es diese vorm Aussterben bedrohten Tiere noch gibt und hier zumindest etwas in Frieden vor sich hin leben können! Zuletzt wurden sie nämlich in Juli gesichtet, hat uns Jon verraten.
Am nächsten Morgen geht es vor dem letzten Frühstück wieder auf den Fluss. Als erstes entdecken wir einen Baby-Orang Utan am Stamm hoch oben im Baum hängen. Die Mutter kann demnach nicht weit sein, sie würde ihr Kind nie alleine lassen! Und da, in der zweiten Baumreihe im Schatten der Blätter sitzt sie. Als sie uns sieht schreit sie kurz auf und das Baby springt zu ihr rüber. Diese Affen sind wirklich sehr liebevolle Wesen! Jon erzählt uns während des Beobachtens, dass grauenhafte Menschen irgendwo in Indonesien ein Orang Utan Weibchen als Prostituierte halten. Sie haben sie komplett rasiert, damit sie noch menschenähnlicher wirkt. Wir Menschen bedrohen diese wundervollen Tiere also nicht nur mit der Zerstöhrung ihres Lebensraumes, wir beuten sie auch noch aus, jagen und misshandeln sie. Es ist wirklich traurig, in solch einer Welt zu leben…
So richtig konzentrieren kann ich mich nach solch einer Horrorgeschichte nicht mehr wirklich. Der Anblick weiterer Nasenaffen, Makaken und einem Krokodil gehen irgendwie an mir vorüber. Zu sehr beschäftigen mich die Themen, was wir Menschen alles anrichten, bewusst und unbewusst. Ich möchte auch hier noch einmal betonen, dass jeder etwas zum Schutz des Regenwaldes unternehmen kann. Dazu muss man nicht einmal an Organisationen Geld spenden (kann man aber natürlich auch). Es reicht schon, den Konsum von Produkten mit Palmöl zu minimieren. Beinhaltet ist dieses Fett vorallem in billigen Margarinen, Schiokoladen und Kochölen, Reinigungsmittel und Kosmetika. Lt. Greenpeace und WWF ist in jedem 2. Produkt, dass in den Regalen unserer Supermärkte steht, Palmöl enthalten. Bezahlen tun wir zwar weniger für diese Produkte, viele Tiere müssen aber dafür mit ihrem Leben bezahlen. Ich war schockiert von den unendlich scheinenden Weiten der Plantagen, durch die wir stundenlang gefahren sind.
Leider ist das ja noch nicht das Ende des Liedes. Weitere Ur- und Regenwälde überall auf der Welt sind durch unsere gieriges Konsumverhalten bedroht. Der rapid zunehmende Fleischkonsum weltweit führt zu einer höheren Nachfrage an billigem Tierfutter, das meist aus Soja gewonnen wird. Dieses genmanipulierte Soja wird auf den fruchtbaren Böden der ehemaligen Wälder angebaut. Wer jetzt sagt “Ja, aber die Vegetarier und Veganer essen doch den aus Soja hergestellten Tofu!” hat recht, Tofu wird aus Sojabohnen hergestellt. Diese entspringen aber aus europäischem Anbau und sind nicht genmanipuliert. Vegetarier und Veganer müssen sich trotzdem auch etwas an der Nase nehmen, denn der wachsende Konsum an Avocados führt leider auch wieder zur Abholzung der Wälder…
Zielführend ist meines Erachtens ein regionaler und saisonaler Einkauf von Nahrungsmittel (egal ob mit oder ohne Fleisch), ein Verwenden von (selbstgemachter) Naturkosmetik und ein Wiederaufnehmen von althergekommenen Putzmitteln á la Essigwasser mit Zitrone.
Dieses Thema der Verschwendung wertvoller Rohstoffe, die unsere Konsumgesellschaft derzeit lebt, scheint unendlich. Es darf natürlich jeder selbst entscheiden, wie weit er für unseren wundervollen und einmaligen Planeten und dessen Bewohner kämpfen will. Ich möchte zumindest dieses existierdende Problem ansprechen, damit es in das Bewusstsein kommt. Wer danach nicht zumindest nachzudenken beginnt, ignoriert traurige Tatsachen.
Dieses “Ach, ist ja nicht mein Problem”-Denken hat ja schon soweit geführt, dass wir Angst um unsere Erde haben müssen. Es wäre nur wirklich unentschuldbar, auch so weiter zu leben.
Ich würde mich an diesem Punkt wirklich freuen, wenn ihr eure Gedanken zu diesem Thema mit mir teilen würdet, damit eine rege Diskusskion entsteht. Achtet ihr beim Einkauf auf Herkunft und Inhaltsstoffe? Kauft ihr eure Produkte im Bauernladen oder nur beim Billig-Riesensupermarkt? Geht es euch genau so wie mir, dass ihr geschockt über solche Auswirkungen der täglichen Einkaufsentscheidungen seid?
Lesestoff zum Thema:
Toller Artikel dazu auf Abenteuer-Regenwald.de
Aufschlussreicher Artikel zum Thema Palmöl von Spiegel.de
Greenpeace München zum Regenwald auf Borneo
steve happ
Great post Magdalena. You are my hero!
steve
Magdalena
Thank you Steve!!!
Magdalena