Um 9:00 legt der Katamaran vom Hafen nähe Nadi (gesprochen „Nandi“) ab. Der gestrige Sonnuntergang vom Strand vor dem Hostel aus war ja schon unglaublich, aber was ich auf der Überfahrt zu den Yasawa-Inseln sehe, ist mehr als das – paradiesisch!
Die Yasawa Inselgruppe befindet sich nordwestlich der Hauptinsel Viti Levu (= „großes Fiji“) und umfasst ein Gebiet von ca. 135 km2 und ca. 20 vulkanische Inseln. Tourismus gibt es hier erst seit Ende der 80er Jahre, da Touristen der Landgang auf die Inseln bis dahin verboten war.
Umso mehr überrascht es mich, wie viele Touristen jedes Alters und Herkunft es hier her verschlägt. Außerdem hatte ich Zweifel – kann man in einem Land, das so berühmt für Luxus-Tourismus ist überhaupt backpackerfreundlich reisen? Aber die Yasawa-Inseln bieten tatsächlich für jeden und jede etwas!
Manche Inseln hier sind komplett privat, auf manchen steht nur ein einziges Resort und auf einigen gibt es kleine Dörfer mit dorf-eigenen „Resorts“. Ich schreibe hier „Resorts“, da es sich eigentlich um günstigen Motel-Standard bzw. Hostel-Standard handelt. Perfekt also für Reisende wie mich!
Der Katamaran hält mitten im Meer zwischen zwei Inseln. „Barefoot , Naqalia, Wayalailai Resort!“, ertönt es aus den Lautsprechern. Ich springe auf und laufe aufgeregt zu meinem Gepäck, dass draußen in Regale eingeordnet wurde. Dabei erhascht mein Blick einen riesigen Felsen hoch oben auf der Insel. „Ich MUSS da rauf!!“, blitzt es durch meinen Kopf! Ich denke, dass hier mein österreichisches Blut in mir zu prodeln begonnen hat, andere hätten sich bestimmt eher über die Traumstrände gefreut…
Rund um das Boot scharren sich kleine Motorboote. Anscheinend holen die Mitarbeiter der Resorts so die Urlauber ab. Da ich mich hier aber in ein Homestay eingemietet habe, werde ich separat von einem netten Mann abgeholt. Es stellt sich heraus, dass er der Vater der Familie ist.
Das Boot wird an Land gezogen und eine lächelnde Frau mittleren Alters kommt mir entgegen. Sie nimmt mich bei der Hand, zieht mich einen kurzen, steilen Weg hinauf zu einem Haus und stellt sich mir dabei vor. Ihr Name sei Shedy (gesprochen „Scherry“) und sie sei meine Hostmutter. Sie zeigt mir mein Zimmer, in dem nur ein Kunststoff-Stockbett steht, das liebevoll mit buntem Stoff bezogen wurde. Ich lege meinen Rucksack ab und folge ihr weiter in ein anderes Haus. An einem kleinem Tisch auf einer Terrasse vor dem Haus bietet sie mir Kaffee und frittierte Bananen im Teigmantel an. Sie setzt sich mir gegenüber und beginnt mir von sich und ihrer Familie zu erzählen und die Hausregeln zu erklären.
Als sie fertig ist, frage ich gleich, ob es möglich ist, auf den Felsen zu wandern. Sie nickt und verspricht mir, dass zwei ihrer Kinder mit mir mitkommen werden, um mir den Weg zu weisen. Natürlich müsste ich auch etwas zahlen. Damit hatte ich gerechnet und ist auch wirklich okay für mich, ich möchte einfach da hoch.
Kurz vor halb 5 marschieren wir los. Der Weg ist nicht sehr lang, aber ziemlich steil. Die feuchte Abendhitze trägt ihr restliches dazu bei. Als wir endlich oben ankommen, bin ich komplett durchgeschwitzt, aber glücklich. Ich setze mich auf den Felsen zu ein paar anderen Reisenden und kann den Blick einfach nicht mehr von der Sonne abwenden. Ich kann das Gefühl kaum in Worte fassen – eine Mischung aus Glück, Freiheit und Unendlichkeit überschwemmt meinen Körper.
Im Taschenlampenlicht beim Bergabgehen fasse ich den Entschluss, noch einmal hier hoch zu kommen. Am Besten gleich in der Früh, zum Sonnenaufgang! Gesagt, getan! Diesmal bin ich alleine auf dem Felsen. Wieder dieses unendliche Gefühl von Freiheit. Unbeschreiblich.
Noch am Vormittag fährt mich mein Hostvater mit dem Boot zu einem Hai-Spot. Die Riffhaie werden dort täglich gefüttert, damit sie auch tatsächlich auftauchen. Um Futter für die Haie zu beschaffen, springen ein paar Fischer vor dem Spot ins Wasser, nur „bewaffnet“ mit einer Taucherbrille und einer Art Speer (eigentlich handelt es sich um ein 8er Eisen, das an einem Ende etwas zugespitzt wurde).
Der erste Fischer taucht wieder auf und wirft einen Red Snapper und einen Papageienfisch ins Boot. Diese hüpfen und springen herum, die Münder scheinen nach Luft zu schnappen, sie scheinen still in sich hinein zu schreien. Ich bin fertig und beginne vor mich hin zu wimmern, muss Tränen schlucken. Die Männer lachen mich aus. Ich verstehe, dass diese beiden Fischleben wegen mir geopfert wurden, damit ich die Haie betrachten kann. Ich schäme mich so sehr. Die Männer hingegen finden meine Reaktion ziemlich amüsant, ist das Fischen doch ihre tägliche Arbeit.
Wir lassen drei der Männer mitten im Meer zurück und fahren mit dem Boot zum Haifisch-Spot. Mein Hostpapa springt mit mir ins Wasser, in welchem sich schon unzählige Touristen aus anderen Resorts tümmeln. Durch die Taucherbrille kann ich einige kleine Haie ca. 6m unter uns am Grund erkennen. Die Locals locken die Haie mit Fischresten an die Oberfläche, Mädels kreischen. Einer deutet mir, dass ich die Haie ruhig anfassen kann. Ich halte meine Hand hin, während ein Hai diese streift. Ich bin total erstaunt, wie weich und sanft sich die Haut anfühlt. Ich dachte, sie würde sich komplett rau anfühlen, aber nein, sie war überaus samtig. Ein wirklich unglaubliches Erlebnis.
Mein Hostvater und ein weiterer Local haben meine Kamera mit nach unten genommen, um die Haie aus nächster Nähe zu filmen:
Nachdem ich mit Haie bewundern fertig bin, holen wir die drei Männer wieder ab. Sie lassen eine Schnur mit aufgefädelten Fischen in das Boot plumpsen und hieven sich dann selbst aus dem Wasser. Noch immer streiten sich meine Bewunderung für das tägliche Leben hier und meine Abneigung gegen Tiertötung.
Aber ich muss gestehen, ich habe mich in dieses Dorf verliebt. Die Bewohner, der Traumstrand, dieser Felsen hoch oben am Berg – so wohl habe ich mich bis jetzt nur sehr selten in meinem Leben gefühlt.
Doch leider geht es am nächsten Tag schon wieder weiter auf eine nächste Insel. Ich bin ziemlich traurig, als ich die Insel verlasse und schwöre mir, noch einmal zurück zu kommen.
Als nächstes habe ich einige Nächte in einem dieser Backpacker-„Resorts“ gebucht, White Sandy Beach heißt es. Auch hier fühle ich mich sofort, als ich den Strand betrete, sehr wohl! Ich genieße die wunderbar sonnigen Tage in der Hängematte unter den Schatten spendenden Bäumen und die kühlen Nächte mit den Mitarbeitern des Resorts und den anderen Backpackern am Lagerfeuer.
Ich hätte eigentlich noch einen weiteren Aufenthalt auf einer anderen Insel weiter im Norden geplant, doch ich quittiere die Buchung. Ich bleibe eine Nacht länger im White Sandy und genieße einen weiteren Tag mit Schnorcheln, Volleyball spielen und Gesprächen mit neu gewonnenen Freunden.
Danach begebe ich mich zurück zu meine Hostfamily auf Wayalailai, ich kann nicht anders. Ich muss einfach zurück auf diese eine Insel!
Und es war tatsächlich eine gute Entscheidung. Ich war mir ja erst nicht sicher. Denn manchmal soll man ja einfach die schöne Erinnerung erhalten und das ganze nicht zwanghaft in die Länge ziehen. Aber die letzten 2 Nächte auf „Klein-Waya“ waren wirklich sehr spannend und schön.
Ich konnte noch etwas mehr über die Leute und die Kultur erfahren und durfte an einer Kava-Zeremonie teilnehmen. Kava ist ein Getränk, das aus der Wurzel der Kava-Pflanze gewonnen wird. Dafür wird die Wurzel getrocknet, zerstampft und dann wie ein Tee in Wasser getränkt, bis eine braune Suppe übrigbleibt, welche auch genau so schmeckt wie sie aussieht – erdig. Das Getränk ist nicht berauschend, man fühlt sich zwar etwas euphorisch, aber klar im Kopf. Das erste, das mir auffällt ist, dass meine Zunge taub wird. Ansonsten spüre ich nur ein leichtes Müdigkeitsgefühl. Man erklärt mir, dass man von vielem Kava tatsächlich schläfrig wird und dann sehr lebendige Träume hat. Das kann ich (leider!?) nicht bestätigen. Spannend ist es allemal.
Am letzten Tag darf ich mit meiner Hostfamily gemeinsam im kleinen Boot zurück zur Hauptinsel fahren. Nach eineinhalb Stunden Geschaukle kommen wir endlich an und nach einer noch schlimmeren Verabschiedung geht es für mich weiter nach Lautoka. Ein Cousin eines Dorfbewohners namens Joe hat mir angeboten, bei sich und seiner Familie unterzukommen, was ich dankend angenommen habe!
Joe geht mit mir sogar noch am selben Tag zu einem Rugby-Spiel, bei welchem 2 Bundesländer Fijis gegeneinander antreten. Dazu muss man auch wissen, dass der Südpazifik verrückt nach Rugby ist. Was bei uns Fußball ist, ist dort eben Rugby. Es ist wirklich spannend und lustig, den muskelbepackten Männern beim Übereinanderwerfen zuzusehen. Joe versucht mir, die Taktiken zu erklären, aber richtig verstehen tu ich das nicht. Darf auch sein…
Joes Mama ist wirklich eine ganz süße! Sie kocht mir ein vegetarisches Abendessen und leistet mir Gesellschaft. Sie erzählt mir von ihrem Geschichtestudium bei einer schweizer Professorin, wie sie den morgigen Muttertag in der Kirche verbringen wird und wie es war auf Wayalailai aufzuwachsen und dann auf die doch sehr westliche Hauptinsel zu ziehen. Zum Dank besorge ich ihr noch einen großen Blumenstrauß zum Muttertag. Sie freut sich riesig!
Noch vor Sonnenaufgang ist es Zeit sich zu verabschieden. Ich habe so viele liebevolle, offenherzige und interessierte Menschen getroffen, habe mich zu Hause gefühlt wie selten wo auf dieser Welt und habe eine völlig andere Seite des Christentums kennen gelernt.
Fiji hat mir mein Herz gestohlen und irgendwann komme ich bestimmt wieder zurück, um es mir wieder zu holen.