Angeblich streitet sich Melbourne mit Wien um Platz 1 der lebenswertesten Städte der Welt. Sehr verständlich. Melbourne hat einfach alles – perfekt ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz, wunderbare Parks, kostenlose Gallerien und unzählige Cafés. Außerdem ist der kulturelle Mix nicht von der Hand zu weisen. Es ist schwer sich für ein Restaurant zu entscheiden. Man hat die Wahl zwischen asiatisch in China Town, mediteran in Little Italy oder einen kompletten Mix von spanisch-ethiopisch-thai Mittwochabend am Queen Vistoria Market.
Aber erst mal der Reihe nach.
Ich komme mitten in der Nacht am Flughafen in Melbourne an. Billigster Flug eben. Es gibt keinen Zug oder ähnliches in das Zentrum. Das nervt. Sogar Wien hat mittlerweile ein kompetentes Zug-System von und zum Flughafen. (Spoiler: Es wird mir noch öfter passieren Melbourne mit Wien zu vergleichen. Ich war eindeutig schon zu lange nicht mehr in einer westlichen Stadt…) Ich fahre also für günstige 20$ mit dem Skybus in die Innenstadt. Der Bus hat einen eigenen W-Lan-Hotspot. Okay, das hat Wien nicht. 1:1
Innerhalb von einer Stunde vom Austeigen des Flugzeuges befinde ich mich in meinem Hostelzimmer, neuer Rekord würd ich sagen. Nicht zuletzt meines kleinen Handgepäcksrucksackes! „Ich hab hunger!“ Kein Problem, gleich nebenan kann ich mir aussuchen, ob ich nur schnell was vom 24h-Supermarkt, von der Pizzeria oder von „Maccas“ will. „Aussie-Sprache!?“, schüttel ich den Kopf… Ich entscheid mich für ein Stück Pizza und begebe mich zurück ins Bett.
Am nächsten Morgen bin ich so etwas von motiviert. Ich freu mich riesig. Ich bin auf alle neuen Eindrücke gespannt und kann es gar nicht glauben, dass ich Nhi endlich wieder sehen werde! Ich habe sie vor vier Jahren in Vietnam kennen gelernt und kann es einfach nicht erwarten ihre Stadt zu erkunden! Ich schmeisse mich in mein schickes, luftiges Kleid, schlüpfe in meine Sandalen, setze meine Sonnenbrille auf und verlasse voller Elan das Gebäude – und laufe an eine Regenwand.
Mein sommerliches Gemüt verfliegt innerhalb einer hundertstel Sekunde. Genervt setze ich mich in das Café nebenan und warte. Und warte. Und warte noch länger. Es will einfach nicht aufziehen. Nhi schreibt mir „The weather has been so great lately, and the first day you’re here it’s rubbish!!“ – „Gut zu wissen…“, ärger ich mich etwas. Die Müdigkeit vom Fliegen überkommt mich wieder und ich lege mich noch etwas hin, um für’s Treffen fit zu sein.
Einen 3h Power-Nap und einen Kaffee später steht Nhi mit einem Überraschungs-Effekt vor mir und wir beginnen beide wie zwei kleine Mädchen zu kreischen. Freundschaften sind schon was wunderbares. Die Zeit vergeht, im Leben ändert sich so vieles. Aber wenn man sich dann plötzlich wieder sieht, ist es als ob man sich nie nicht gesehen hätte.
Nhi führt mich in eines der angesagten Lokale in Melbourne aus. Asiatische Fusionsküche ist anscheinend der letzte Schrei, was auch immer das genau sein soll. Meine DIY-Frühlingsrolle war auf jeden Fall spannend und lecker. Und erst die Nachspeise! Coconut-Sogo with Baby-Corn and Rice-Crispies. Schräg aber unglaublich gut.
Um den gemeinsamen Abend gemütlich ausklingen zu lassen nimmt sie mich in eine schicke Skybar mit. Wir trinken Pimm’s und Bier. Schnell wird mir klar, dass ich einfach nichts mehr vertrage. Alkohol ist, seit ich reise, etwas sehr seltenes geworden.
Da ich mich so schnell nicht mehr von Nhi los reissen möchte, besuche ich sie am nächsten Tag in ihrem Café „Pg. 2“ in East Richmond. Es ist ein geschmackvoll und modern eingerichtetes Café, dass jungen Künstlern eine Plattform zur Eigenwerbung bietet. Monatlich wird ein Maler ausgesucht, der mit seinen Bildern die Wände schmücken darf. Werden Bilder verkauft, geht die Einnahme eins zu eins an den Künstler, das Pg. 2 gewinnt dabei neue Kunden und wundervoll lebhafte Dekoration.
Wer in Melbourne ist sollte unbedingt vorbei schauen: pg.2
Ich lasse den Tag gemütlich im Sightseeing-Bus der Stadt ausklingen. Er bringt mich bequem von Punkt zu Punkt und erzählt mir alles wissenswerte.
Eine lustige Sightseeing-Walking-Tour mit einem Studenten kann das allerdings nicht ersetzen. Die mach ich dann auch noch am darauf folgenden Tag gemeinsam mit Aseem, den ich 3 Jahre zuvor in Portugal kennen gelernt hab und auch hier in Melbourne lebt. Reisen verbindet.
Ich lerne, dass Melbourne auf Grund von Goldvorkommnissen im 18. Jahrhundert zu einer Großstadt wurde. Der Goldrausch lockte viele Europäer an, vor allem Engländer, Italiener, Niederländer und Griechen. Österreicher weniger, habe extra nachgefragt. Anscheinend waren wir immer schon ziemlich heimatverbunden. Nicht einmal Kolonien hatten wir. Ach ja, mögen andere Kriege führe, du liebes Österreich, heirate. Sehr vorbildlich!
Die Goldader wurde vollständig ausgegraben, eine Wirtschaftskrise drohte. Nach der Unabhängigkeit von England konnte Melbourne also leider doch nicht Hauptstadt werden. Mit Sydney wurde vereinbart, eine Hauptstadt in der Mitte der zwei Großstädte zu finden, sie solle aber gerade noch im Bundesstaat New South Wales sein, um Melbourne, und somit den Bundesstaat Victoria, nicht noch mehr in den Ruin zu ziehen.“ Uuuuund es wurde…… Canberra.“, die Stimme unseres Guides klang leicht verzweifelt. Naja, es kann nicht immer alles glatt laufen.
Was macht die Stadt aber nun besonders? Der Mix macht’s aus. Kleine Backsteinhäuser neben modernen Wolkenkratzern. Kleine Cafés neben Shopping-Centern. Grüne Parks mit Cricket-Feldern, Sport-Stadien und Tennis-Plätzen. Bars und Restaurants entlang der Yarra, davor stehen Straßenkünstler und preisen ihr Talent an. Kleine gemütliche Gassen mit Restaurants, deren Wände mit stilvollen Graffitis verschönert wurden neben breiten Straßen, die reichlich Platz für Fußgänger, Öffis und Autos bieten. Fremde Menschen sprechen tatsächlich miteinander, sogar in der Straßenbahn – 2:1 für Melbourne. Sorry Wien.
Abgesehen davon gibt es öffentliches Free-Wifi in den Straßen und die Öffis sind in der Kernzone der Stadt gratis. 3:1. Melbourne führt eindeutig.
Okay, überedet. Wien ist generell günstiger zum Leben und ich mag den Wiener Schmäh. Gleichstand.
Ich verabschiede mich von Aseem. Als ob das nicht schon genug Freunde an einem fremden Ort wären, treffe ich mich am Tag darauf auch noch mit meinen Lieblingsmädls, die ich in Malaysia kennen gelernt habe, June und Manu. Melbourne fühlt sich eigentlich gar nicht mehr fremd an.
Manu und ich gönnen sich einen Tag am Strand im Stadtteil St. Kilda. Eine Großstadt ohne Strand am Meer würd ja alt aussehen! Ups… sorry Wien. Knapper Sieg 4:3 für Melbourne.
Melbourne hat wirklich so ziemlich alles, was man sich in einer lebenswerten Stadt wünscht und ich muss gestehen, Mel hat sich den Sieg verdient!
Anhang:
Leider gibt es, wie überall auf dieser Welt verrückte Menschen, die ihre Taten nicht im Griff haben. Manu und ich waren gerade auf den Weg zur Fußgängerzone in der Bourke Street um einige Zeitschriften zu kaufen. Dazu kam es aber nicht, da wir von unzähligen Polizisten und abgesperrten Straßen daran gehindert wurden. Soeben war ein Autofahrer mitten in die Fußgängerzone gebrettert und hatte unzählige, unschuldige Menschen Teil von seiner Polizeiflucht werden lassen. 5 Tote, darunter ein Kind und ein Baby und über 100 Verletzte. Sofort hatten wir ein Deja Vu – der Raser in der Grazer Fußgängerzone. Unsere Gedanken waren und sind es immer noch bei den Opfern und deren Angehörigen, welchen wir Kraft und Mitgefühl senden.
ABC-News about the car incident: what happend where?