Die gelbe Hölle im Krater des Mount Ijen

Wer denkt, dass wir arm dran sind, weil wir manchmal ein paar Überstunden machen müssen oder weil es im Rücken zwickt vom vielen Sitzen, hat höchst wahrscheinlich noch nie etwas von einem der schlimmsten Jobs der Welt gehört: Arbeiter in der Schwefelmiene im Krater des Vulkanes Ijen.

Um 2 Uhr früh marschiert unsere Touristengruppe vom Parkplatz am Fuße des Vulkanes auf ca. 1900m Seehöhe los. Es ist dunkel und man sieht nur seine eigene Füße im Licht der Taschenlampe. Die ersten Meter geht es noch gemütlich und geschwungen durch die nicht erkennbare Landschaft, doch dann wird es ziemlich steil. Ich quäle mich Schritt für Schritt hoch und bin dankbar, nur den nächsten Schritt zu sehen und keine Ahnung zu haben, wie weit es noch so steil hoch geht. Unser Guide ist jung und motiviert und treibt uns gut voran. Nach kurzer Zeit erreichen wir “die Cafeteria”. Hier gönnen sich einige bereits ihr mitgebrachtes Frühstück, andere kaufen sich einen schwarzen, stark gezuckerten Kaffee.

Es geht jedoch relativ bald wieder weiter, das “blaue Feuer” kann man nur vor Sonnenaufgang bewundern! Also machen wir uns wieder auf den Weg, für das letzte und steilste Stück. Die letzten 500m wird es zum Glück wieder einigermaßen flacher. Viele Männer mir einem Holzkarren kommen uns bereits entgegen, aufgeladen sind weiße Säcke. Einige schreien “Taxi Taxi”. Ich bin nur froh, wenn ich endlich oben ankomme.

“Oben”, auf ca. 2700m Seehöhe, bleiben wir aber nicht lange, sehen tut man sowieso noch gar nichts. Wir machen uns gleich daran, den Krater hinabzusteigen. Beziehungsweise versuchen wir es so gut es eben geht. Das lose Gestein rutscht, die Taschenlampe macht eindeutig zu wenig Licht. Das Hinabsteigen scheint kein Ende zu nehmen. Mir schießt es, dass wir ja das ALLES wieder hinaufgehen auch müssen! Das kann ja lustig werden…

Im Lampenschein sieht man einige gelbe Steine aus Körben blitzen, dahinter rasten Arbeiter, wir grüßen höflich “Selamat Pagi” (=Guten Morgen). Je weiter wir absteigen, desto rauchiger wird es. Wir sind froh, Gasmasken bekommen zu haben. Zwischen Maske und Mund habe ich mir noch meinen Schal als zusätzlichen Schutz eingeklemmt. Der dichte Rauch brennt in den Augen und erschwert den Abstieg zusätzlich. Arbeiter mit Körben über die Schulter gepackt quälen sich an uns vorbei den Kraterrand hinauf – Selamat Pagi! – Pagi!

Und auf einmal sind wir da. Es ist immer noch dunkel, überall Rauch. Manche Arbeiter haben eine Stirnlampe und man kann im Licht deren Arbeitsschritte erkennen.

Im Hintergrund sehe ich es – das blaue Feuer! Nur kurz, der Rauch zieht zu. Wir warten etwas ab, bis wir das Stückchen zum Feuer hinaufsteigen können. Nur leider spielt die Windrichtung nicht mit und der komplette Krater verraucht sich immer mehr. Ich versuche hinaufzusteigen, weil ich mir denke, dass ich ja nur einmal hier bin und unbedingt die blaue “Lava” von Nahem sehen will. Aber keine Chance. Der Rauch zieht in meine Richtung – meine Augen tränen, die Maske wird unnötig, der Rauch zieht in die Nase und Mund, es brennt fürchterlich im Hals und ich kann nicht mehr aufhören zu husten. Ich muss wieder runter, quäle mich durch den dicken Rauch, sehe kaum meine Schritte und spüre nur die rutschigen Steine unter meinen Sohlen. Ich schaffe es Gott sei Dank heil hinab und flüchte weiter nach vorne, um frische Luft schnappen zu können.

so würde das blaue Feuer aussehen (Foto dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt von einer Reisenden)

 

Nachdem ich mich erholt habe und die Augen endlich wieder öffnen kann, seh ich, dass es bereits ziemlich hell geworden ist – ja, das geht hier relativ rasch! Erst jetzt sehe ich das Ausmaß des Kraters und den darinliegenden Kratersee. Das Gestein rundherum ist weiß-gelblich, der Kratersee darin hellblau und überall steht der dicke, weiße Rauch. Der See liegt auf einer Höhe von ca. 2150m und ist ca. 40ha groß.

Im Rauch schuften die ganze Zeit schon die Arbeiter. Sie stehen neben dampfenden Rohren und Öfen und brechen gelbe Gesteine ab. Unser Guide erklärt uns, dass der flüssige Schwefel aus dem Inneren des Vulkanmassives durch Rohre an die Oberfläche gepumpt wird. An der “frischen” Luft erstockt die orange, mehrere tausend Grad heiße Flüssigkeit zu gelben Schwefellbrocken, die dann an Ort und Stelle etwas zerkleinert und zur Basis hinunter gebracht werden. Wer sich keine Körbe leisten kann, zerkleinert den Schwefel und füllt ihn in Säcke. Vor mir kann ich einen Mann beobachten, der genau das mit bloßen Händen macht. Wahrscheinlich kann er sich nicht einmal Handschuhe leisten.

Wir bleiben noch etwas, um die Landschaft zu „genießen“, was ich ziemlich pervers finde. So schön der See auch ist, hinter uns ackern sich die Arbeiter ab, tragen bis zu 100kg Schwefel den steilen Kraterrand hinauf – den ganzen Tag atmen sie nichts anderes als die ätzende Luft, die beim erstarren des Schwefels freigesetzt wird. Ich weiß nicht, was ich fühlen soll. Mitleid oder doch Bewunderung? Eine Mischung aus beidem wahrscheinlich.

Beim Hinaufgehen folge ich einem Arbeiter. Seine Schritte sind langsam und konzentriert, einen sicheren Tritt braucht er auf jeden Fall. Ich habe schon Probleme, auf dem „Weg“, der nur aus größeren Steinen mit losem Füllmaterial besteht, sicher die Steile Wand hinauf zu gehen. Zurückkommende Arbeiter sagen dem Träger etwas aufmunterndes, klopfen ihm auf die Schulter und beide lachen. Als der Träger vor mir endlich den Kraterrand oben erreicht, lässt er eine Art „Indianerschrei“ von sich, aus dem Krater kommen Rufe zurück herauf. Er lacht.

Während unsere kleine Gruppe zusammen wartet, schaue ich mich um. Rauch steigt auf, man kann den See erkennen. Am Berghang stehen verbrannte Baumstämme, es ist karg. Weiter unten kann man Farne und niedrige Pflanzen erkennen. Arbeiter packen die Brocken in große Säcke und stapeln sie auf den Holzkarren, um sie zur Basis zu bringen. Wir marschieren wieder zurück.

Wir erreichen die Cafeteria um dreiviertel 6, endlich Frühstück, dazu kauf ich mir einen ungesüßten Kaffee mit der üblichen Menge an Kaffeesatz. Immer mehr Arbeiter kommen mit Holzkarren den Berg herauf. Sie freuen sich über den kurzen Smalltalk mit uns – Selamat Pagi – Pagi! – Apa Gabar? – Baik, baik.

Ich geh noch schnell aufs Klo, und hier erblicke ich das erste Mal eine „Toilette“ indonesischen Standards – ein Loch im Boden, das in den Abhang führt. Ich muss glaube ich nicht genauer beschreiben, wie dieses … nennen wir es verdreckt, war…

Wir machen uns auf den Weg zum Bus zurück. Und WOW – Es ist wirklich ziemlich steil! Bei jedem Schritt muss man aufpassen, dass man nicht rutscht! Wir gehen eine ganze Weile und ich frage mich, wie ich das in der Früh angestellt habe, da hoch zu kommen!? Um 7 Uhr erreichen wir den Minivan, die komplette restliche Fahrt zur Fährstation in Richtung Bali verschlafe ich. Was für ein Morgen.

 

Am Abend schau ich mir noch ein paar Dokus an, ich spreche auch immer wieder mit anderen Leuten über die Arbeiter im Ijen. Anscheinend haben sie zur Arbeitserleichterung schon öfter Angebote bekommen, dass sie eine Straße gebaut bekommen könnten, auf denen Lastwagen bis zum Kraterrand fahren könnten, oder auch dass sie Hilfe von Esel in Anspruch nehmen könnten, die ihnen den Schwefel vom Krater hinauf tragen könnten. Das wollen die Arbeiter nicht, dann würden sie weniger bezahlt bekommen.

Trotz all der gesundheitlicher Folgen – Lungenprobleme, Hautprobleme, Lebenserwartung von 10 Jahren unter dem Landesdurchschnitt – ist es ein überaus begehrter Job. Sie bekommen pro Kilo Schwefel, den sie ins Tal tragen, 1000 Rupiah. Hört sich vielleicht viel an, aber man darf nicht vergessen, dass 14.500 Rupiah umgerechnet 1€ sind. Ein erfahrener Arbeiter schafft es, drei Mal ca. 80 Kilogramm zu schleppen. Er bekommt daher ca. 15-17€ pro Tag, was weit über dem durchschnittlichen Tagesgehalt liegt. Bei meinem Gespräch damals mit Yoppie in Bandung habe ich erklärt bekommen, dass Maurer ziemlich gut bezahlt würden, die bekämen ca. 10€ pro Tag.
Unglaublich ist auch, dass bei manchen Industrien Schwefel als Abfallprodukt anfällt, trotzdem beziehen Hersteller von Kosmetika, Medikamenten, Farbstoffen usw., die das gelbe Pulver benötigen, lieber von den Arbeitern des Ijen-Vulkans, da diese immer noch am billigsten sind.

So wird es sie wohl noch länger geben, die Arbeiter in der gelben Hölle im Ijen-Krater.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*